Erstes Musical in Sirnach - Gedanken vom Regisseur

Giuseppe Spina

„Hello Dolly“ von Jerry Hermann und Michael Stewart ist ein Musical, welches auf der Posse von Johann Nestroy „Einen Jux will er sich ma- chen“ basiert. Mit dem Genre des frühen Musicals macht die Operette Sirnach einen auf den ersten Blick mutigen, auf den zweiten Blick aber auch sehr konsequenten Schritt in die eigene Zukunft. Für viele unse- rer Zuschauerinnen und Zuschauer von heute bedeuten die frühen Musicals das, was die Operetten von Strauss, Lehàr und Benatzky vor 70 Jahren dem damaligen Publikum bedeutet haben.

„Hello Dolly“ bietet für einen Regisseur eine gute Kombination von mitreissender Musik, reizvollen, aktuellen Themen und starken Spiel- szenen. Den Autoren ist es gelungen, zwischen dem komödiantischen und dem ernsthaften Inhalt mit viel Leichtigkeit und Schmiss hin und her zu wechseln.

Eine starke Frauenfigur, Dolly Levi, steht im Mittelpunkt. Sie behält stets die Fäden in der Hand und fungiert für die anderen Figuren quasi als Schicksalsschmiedin. Was dabei beeindruckt, ist dass Dolly Levi ihre Machtposition niemals ausnützt. Sie scheint für etwas Gutes zu kämpfen und will dieses Gute mit den Menschen um sich herum teilen. Natürlich verfolgt sie dabei auch eigene Ziele, doch sie handelt nicht egoistisch. Dies alles geschieht mit Humor, mit Leichtigkeit und nicht wie in anderen Stücken dieses Genres mit einer mehr oder weniger deutlich geschwungenen Moralkeule.

Keine Frage, dass das gesamte Stück mit der Besetzung der Dolly steht oder fällt. Mit Judith Bach haben wir eine Schauspielerin und Kabarettistin am Start, die in der Kleinkunstszene der Schweiz und Deutschlands bestens bekannt ist und auch in Sirnach als Wilhelmine Giesecke „Im weissen Rössl“ von Benatzky bereits einen fulminanten Einstand gefeiert hat. Judith hat den Schalk, den Humor, die Strahl- kraft, die Energie und die Bühnenpräsenz, um die Dolly Levi auf der Bühne lebendig werden zu lassen.

Inhaltlich möchte ich mich wie bereits bei meiner Inszenierung des Rössls darum bemühen, dass die Geschichte trotz aller Leichtigkeit und Humor auch glaubhaft und berührend bleibt. Ich bin überzeugt davon, dass wir uns als Publikum in den Figuren wieder erkennen werden, und es wäre ein Jammer, diesen Moment auf Kosten eines Gags oder eines billigen Witzes zu verbraten. Operetten und Musicals können sehr unterhaltsam sein, das ist klar und legitim, sie können und müssen aber auch eine Geschichte erzählen, die mit uns zu tun hat, damit wir diese wundersame kathartische Wirkung erleben können, welche nur noch die Bühne und die Live-Kultur bieten kann.

Der Tanz wird in dieser Produktion ebenfalls von zentraler Bedeutung sein. Vier professionelle Tänzerinnen, verstärkt durch einen verjüngten Chor, werden auf Ihre Weise die Geschichte mit erzählen und dabei nicht nur ein hübsches Accessoire sein, sondern so in der Handlung integriert werden, dass die Tanz- und Bewegungssequenzen ganz natürlich entstehen und nie forciert werden müssen.

Das Bühnenbild ist noch in Arbeit. Es soll sehr wandelbar sein. Ich plane eine Bühne voller Überraschungen, Spielereien, Effekte und Funktionalität. Dies auch, um dem moderneren, zeitgenössischeren Anspruch gerecht zu werden. Das Bühnenbild wird mit lokalen Unter- nehmen aufgrund eines Modells und Plänen, welche ich liefern werde, umgesetzt. In der letzten Produktion, konnte sogar ein Lehrling seine Abschlussarbeit verwirklichen, indem er das grosse Metallgeländer im ersten Stock des weissen Rössls anfertigte.

Dies ist eine Bestätigung dafür, dass die Bühnenkunst nicht bloss zu unterhalten weiss, sondern auch immer wieder Menschen aus ver- schiedensten Berufen und Sparten zusammenführt und an einem grossen, gemeinsamen Projekt arbeiten lässt. In Sirnach sind die Pro- duktionen jeweils auch gesellschaftliche Highlights. Ein besonderer Geist zieht durch die Strassen, wenn es alle drei Jahre heisst: „Bühne frei für die Operette!“ - Pardon, „...für das Musical!“

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